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Die Reform des europäischen Strommarktes und ihre zentralen Begriffe – Teil 2: Power Purchase Agreements

03.08.2023

In der vergangenen Woche haben wir uns anlässlich der bevorstehenden Reform des europäischen Strommarktes mit der Preisbildung für Strom beschäftigt, die durch das sogenannte Merit-Order-Modell erfolgt. Vereinfacht ausgedrückt führt dieses Modell dazu, dass teure fossile Energiequellen häufig den Preis auf dem Strommarkt bestimmen – sogar für die deutlich kostengünstigeren erneuerbaren Energien. Dies hat insbesondere im letzten Jahr zu massiven Strompreissteigerungen geführt.

Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Doch welche Möglichkeiten gibt es jenseits des herkömmlichen Preissetzungsmodells? Der am 19. Juli 2023 vom EU-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) angenommene Gesetzesvorschlag zur Änderung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie setzt vorrangig auf zwei Instrumente: Power Purchase Agreements (PPA) und Differenzverträge (Contracts for Difference, kurz CfD). In unserem heutigen Beitrag beleuchten wir die Chancen und Risiken von PPAs näher.


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Was sind PPAs und wie funktionieren sie?

Power Purchase Agreements sind langfristige Verträge zwischen Stromerzeuger:innen und Abnehmer:innen (etwa Energieversorger:innen oder industrielle Endverbraucher:innen), in denen die Konditionen für den Kauf und Verkauf von elektrischer Energie festgelegt werden. Diese Verträge, die oft über mehrere Jahre laufen, definieren Preise, Liefermengen, Qualität und andere wesentliche Parameter.

Die Funktionsweise eines PPA ist im Grunde simpel: In einer vertraglich festgelegten Vereinbarung verpflichtet sich die Erzeugerseite, eine bestimmte Menge Strom zu einem vereinbarten Preis zu liefern. Im Gegenzug verpflichtet sich das Unternehmen, das den Strom bezieht, diese Menge abzunehmen und den festgesetzten Preis zu entrichten. Der Vertrag kann sich auf sowohl konventionelle als auch erneuerbare Energiequellen beziehen.


Potenzielle Vorteile von PPAs

PPAs bieten sowohl Unternehmen, die Energie verbrauchen, als auch denen, die sie erzeugen, eine Reihe potenzieller Vorteile:

  1. Preisstabilität & Einnahmesicherheit: Durch langfristige Festpreisvereinbarungen minimieren PPAs das Risiko von Preisschwankungen und sorgen für kalkulierbare Energiekosten. Dies führt auf Erzeugerseite zu verlässlichen Einnahmen. Besonders Anlagen für erneuerbare Energien (EE-Anlagen), die keine festen Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (sog. EEG-Vergütung) erhalten, können davon profitieren.
  2. Besserer Marktzugang für erneuerbare Energien: PPAs ermöglichen auch kleineren oder spezialisierten Erzeugerunternehmen den Marktzugang. Dies ist insbesondere für EE-Anlagen wichtig, die sonst Schwierigkeiten hätten, sich am Markt zu etablieren.
  3. Nachweisbarkeit der Nachhaltigkeit: Unternehmen, die PPAs mit erneuerbaren Energiequellen abschließen, können den Herkunftsnachweis der bezogenen Energie als öffentlichkeitswirksames Marketinginstrument nutzen.
  4. Förderung von Investitionen: Die finanzielle Stabilität, die ein PPA bietet, erleichtert es Erzeugerunternehmen, in neue Technologien oder Kapazitäten zu investieren. Dies trägt zur Innovation bei und kann die Entwicklung effizienterer und nachhaltigerer Energielösungen fördern.


Wo hakt es?

PPAs bieten einige Vorteile, und das Interesse an ihnen ist in den letzten Jahren merklich gewachsen. Trotzdem stellt der Anteil von PPAs im Stromhandel nur einen kleinen Teil dar. Zum Beispiel werden in Deutschland aktuell etwa 46,4 Gigawatt durch Windenergie erzeugt und konventionell vermarktet, während PPAs nur für rund 9,6 Gigawatt stehen, ein Anteil von etwa 17%.

Obwohl der PPA-Markt in jüngster Zeit an Dynamik gewonnen hat, spielt er noch eine deutlich untergeordnete Rolle. In Deutschland liegt das wahrscheinlich auch daran, dass die meisten EE-Anlagen bisher die feste Einspeisevergütung nach dem EEG erhalten haben und nun Alternativen suchen müssen.

Darüber hinaus gibt es spezifische Nachteile von PPAs, die einer stärkeren Verbreitung im Weg stehen. Besonders hervorzuheben sind zwei Faktoren:

  1. Zahlungsausfallrisiko: Erzeugerunternehmen könnten dem Risiko eines Zahlungsausfalls seitens der abnehmenden Unternehmen ausgesetzt sein. Dies kann insbesondere problematisch sein, wenn kleinere Unternehmen beteiligt sind, die nicht die gleiche Bonität wie größere Unternehmen haben.
  2. Beschränkung auf große Unternehmen: Dieser Punkt ergibt sich direkt aus dem vorangegangenen. Tatsächlich beschränken sich PPAs oft auf größere Unternehmen, da das Zahlungsausfallrisiko mit kleineren zu groß sein könnte. Dies schließt viele potenzielle Marktteilnehmer:innen aus.


Wie sollen PPAs in Zukunft gefördert werden?

Das Reformvorhaben zielt darauf ab, speziell das Zahlungsausfallrisiko und die damit verbundene Beschränkung auf große Akteure zu adressieren. Mitgliedsstaaten sollen unnötige Hindernisse beseitigen, die den Marktzugang zu PPAs erschweren. Dies kann beispielsweise durch staatliche Garantien geschehen. Wenn ein kleineres Unternehmen einen Vertrag mit einem Erzeuger von erneuerbarem Strom abschließen möchte, könnte die Regierung garantieren, im Falle eines Zahlungsausfalls einzuspringen. Dies könnte Erzeuger ermutigen, PPAs auch mit kleineren Unternehmen abzuschließen.


Nationale Handlungsspielräume bleiben bestehen
Der Gesetzesvorschlag zur Änderung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie setzt bestimmte Ziele und Grundsätze, bietet den Mitgliedstaaten jedoch Spielraum bei der Umsetzung. Diese Flexibilität berücksichtigt die energiepolitischen Prioritäten und Rahmenbedingungen der einzelnen Mitgliedstaaten, während sie gleichzeitig die gemeinsamen europäischen Ziele zur Förderung von erneuerbaren Energien und der Flexibilisierung des Strommarktes verfolgt. Übrigens: In dem im Mai vorgelegten und seitdem viel diskutierten Arbeitspapier des Bundeswirtschaftsministeriums zur Einführung eines Industriestrompreises werden bereits Möglichkeiten zur Förderung von PPAs erörtert – etwa durch Bürgschaften oder Haftungsfreistellungen kreditgebender Banken.